“Ich war sehr erfreut, als unser Treffen nach all der Zeit wieder stattfinden konnte. Natürlich waren wir über die letzten Jahre per Chat, Video und Mail verbunden, vorausgesetzt das Internet funktionierte. Selbstredend, dass das den direkten Austausch nicht ersetzten kann. Besonders nicht für mich, als jemand, der von Außen versucht zu verstehen. Und nicht nur das, sondern auch noch in der Lage sein will, das für all die Spender:innen zu übersetzen, für Privatpersonen sowie für Firmen, die uns vertrauen. Da ist persönlicher Kontakt um so wichtiger.
Unsere Verabredung hat im Voice of Children Büro stattgefunden. Per E-Mail arrangiert. Auf der Agenda stand: Zusammenarbeit, Catch Up, Rechnungen, Kollaboration, Papier-Handarbeit, weitere Fundraising-Aufrufe und Bedarfe.

Für mich war es wichtig, über unsere Kollaboration zu sprechen, denn immerhin haben wir uns seit unserer vertraglichen Vereinbarung nicht mehr gesehen, welche per Mail fertiggestellt wurde. Auch wollte ich erfahren, wie sich die Projekte entwickeln, was sich im Land seit und besonders durch Corona verändert hat, wie wir uns zukünftig unterstützen können und welche Dokumentation wir brauchen, um transparent zu kommunizieren.
Meine Reise umfasste vier Meetings mit VOC:
- in ihrem Büro,
- im Dropping- und Socialization Center,
- ein Treffen mit zwei Jugendlichen im Ausbildungszentrum sowie
- einem Besuch bei einer Familie in ihrem zu Hause.
Wir saßen zu viert im Büro. Der Präsident, Schatzmeister, der Programm-Verantwortliche und die Marketingleiterin. Ich bekam einen leckeren Tee und Wasser zu trinken. Nach einiger Zeit des sich wieder Kennenlernens und des freundlichen Austausches über die Corona-Zustände in unseren Ländern und deren Ausmaß habe ich Folgendes erfahren. Hier ein Ausschnitt:
Eines der größten Herausforderungen zurzeit ist der Schutz vor Internetmissbrauch, das schließt sexuellen Missbrauch, der online geschieht, mit ein. Fakt ist, dass 70 % der Jugendlichen Handys besitzen und 60 % nutzen das Internet. Eltern haben oft keine Kontrolle darüber und wissen vielmals nicht, was passiert, welche Gefahren das Internet birgt oder können mit der Geschwindigkeit der Entwicklung einfach nicht standhalten.
VOC plant eine Internet Safety Awareness Initiative, um über die Auswirkungen aufzuklären. Diese können zum Beispiel sein: sexuelle Belästigung, Pornografie oder Bullying. Das Internet als “Vermittler”, um mit dem Missbrauchstäter in Kontakt zu treten. Zusätzliche Folge: die Kinderehe. Dazu muss angemerkt werden, dass Kinderehen in der Vergangenheit historisch bedingt ein Problem war. Kulturellen Ursprungs sowie durch Armut und mangelnde Bildung geprägt. Durch das Internet leider wieder akut und zu einem Trend geworden. Die Kinder und Jugendlichen sind im Schnitt 14-15 Jahre alt. Die Kinderehen sind nicht legal und es gibt auch keine offizielle Hochzeit. Bedauerlicherweise endet sie oft in Indien (Menschenhandel). Wie wir uns das vorstellen müssen? Ein beispielhafter Ablauf kann sein: Man tritt zum Beispiel durch Facebook in Kontakt, ist sehr freundlich zueinander, lernt sich kennen und der Vorschlag eines Treffens wird ausgesprochen. Man trifft sich und entscheidet gemeinsam wegzurennen und alleine zusammenzuleben. Wichtig hier ist es zu verstehen, dass Liebesehen immer noch nicht die Norm sind. Im Gegenteil, in dörflicheren Gegenden sind sie nicht akzeptiert. Das bedeutet, die Ehen sind arrangiert und es gibt keinen gemeinsamen Haushalt für das frisch vermählte Paar, denn sie leben mit den Eltern des Ehemanns. Dem möchten Jugendliche entfliehen, doch ist das nicht der einzige Grund, warum sie wegrennen. Manchmal erwischen Eltern ihre Kinder und versuchen sie zu trennen, was weitere Konflikte birgt, welche wiederum zur Ermüdung der Kinder führt und oft in Menschenhandel endet.



Ich habe folgendes über den Kreislauf gelernt: dadurch, dass die “Ehe” nicht legal ist, lebt das Paar in der Illegalität. Das bedeutet es gibt keine Papiere und somit auch keine offizielle Arbeit. Die geborenen Kinder sind nicht offiziell registriert und haben sie keine Geburtsurkunde. Da das Paar auf sich alleine gestellt ist, kommt es bei Problemen oft zur Trennung und eine neue “Ehe” folgt. All das erhöht die Verletzbarkeit, der Kreislauf beginnt und wird schlimmer. Man spricht hier von Cycle Increase (Zyklusanstieg). Man kann sich nun gut vorstellen, wieso mehr Kinder auf der Straße landen und wie schwer so ein Leben sein muss.
Es gibt immer noch einige Eltern, die für eine frühe Hochzeit sind, da es sie von finanziellen Verpflichtungen freistellt. Auch gibt es viele Eltern, die Angst vor einer Liebeshochzeit haben. Das Gesetz sieht vor, dass Erwachsene ab dem 20 Lebensjahr selbst entscheiden können, wer wen heiraten möchte, was allerdings kulturell und sozial nicht akzeptiert wird.
Auch heute noch haben die meisten Kinder das zu studieren, was die Eltern möchten. In städtischen Gebieten ist der Druck geringer.
Was ist der Plan? Eine Internet Safety Aufklärungs-Kampagne. Zielsetzung ist es, die Eltern aufklären, dass das Internet diesen Verlauf bedingt, aber auch dessen Wichtigkeit darlegt, denn das Internet ist auch essenziell für Bildung und Schule besonders seit COVID-19. Es gilt eine Gratwanderung durch Aufklärung und Dialog zu schaffen.



Wir haben uns geeinigt, dass VOC uns mitteilen wird, wie wir sie unterstützen können. Ein zukünftiger Ansatz ist, die Entwicklung kleiner Programme mit Problembeschreibung und Fokus. Zurzeit werden spezielle Aufklärung-Aktivitäten definiert wie zum Beispiel:
- Sexueller Missbrauch sowie Faktoren, die diesen beeinflussen
- Bewusstsein schaffen für Eltern
- Training für Lehrer, damit sie bestimmte Verhalten einstufen können und sensibler auf bestimmte Verhalten reagieren können
- Training für Justiz und Polizei, Bewusstsein bei Staatsanwaltschaft schaffen.
Wir haben besprochen, einen Podcast über das Thema zu erstellen, um Bewusstsein über die Problematik zu schaffen.
Mein Treffen dauert knapp zwei Stunden und wurde mit einem gemeinsamen Lunch in der hauseigenen Kantine beendet. Das war nur ein Meeting des Tages, zwei weitere folgten. So viel Input in so kurzer Zeit aufzunehmen und zu verarbeiten, all die Eindrücke und kulturellen Unterschiede aufzunehmen und zu integrieren ist immer eine Herausforderung. Eine, die viel Energie nimmt, aber auch viel gibt und mir Spaß macht, denn ich bekomme Zugang zu Wissen, welches mir sonst nicht zugänglich wäre. Ein besonderes Highlight war für mich, als wir über das Thema Liebesehe gesprochen haben. Aus was für einem Grund auch immer, dachte ich, es sei nicht mehr real. Als man mein verdutztes Gesicht sah, wurde mir erklärt, wie es heute noch gehandhabt wurde. Als ich die Frage an die Runde stellte, wer von ihnen arrangiert sei, wurde zu meiner Verwunderung ganz offen mit großem Grinsen darauf geantwortet. Ich habe mit einem Lachen erwidert: “tja und ich bin geschieden” 😉 Abschließend kann ich nur sagen, es war ein toller Auftakt meiner Nepal Reise.”
BIlder sowie Interviews sind für social Media Kanäle freigegeben,